Wellnessparadies in Wedau

WAZ 25.08.2009

Wellnessparadies in Wedau

Wassertreten frei nach Pfarrer Kneipp gilt als verstaubt. Dabei passt es prima zu modernen Gesundheits- Trends

Ein traumhaftes Stückchen Duisburg unmittelbar am Masurensee - so schön, dass man an diesem heißen Sommernachmittag überhaupt keine Lust verspürt, ins Büro zurückzukehren: Allein dieses Parkgrundstück mit den mächtigen Bäumen, der sonnigen Terrasse und dem eigenen Badesteg ist eigentlich Grund genug, Mitglied imDuisburger Kneippverein zu werden. Doch die Vereinsstatistik zeugt von Mitgliederschwund: Bis Ende der 80er Jahre praktizierten 1 200 Mitglieder die Grundsätze des Pfarrers Kneipp, aktuell sind es noch circa 600.

„Kneippen wird leider immer mit alten Leuten und unangenehm kaltem Wasser verbunden”, bedauert Doris Gabriel, die Vorsitzende des Duisburger Kneippvereins. Schade eigentlich: Denn bei 30 Grad im Schatten ist kaltes Wasser ausgesprochen erfrischend, übers ganze Jahr angewendet, stärken Kneippsche Fuß- oder Armbäder das Immunsystem und bringen den Kreislauf in Schwung. Und das alles ohne Nebenwirkungen.

Ein weiterer Vorteil, gerade in wirtschaftlich schlechten Zeiten: Kneippen ist preiswert. „Ein bisschen Wasser, mit dem Sie sogar anschließend noch die Blumen gießen können, mehr braucht man nicht”, so Doris Gabriel. Seit 1964 residiert der Verein amStrohweg in Wedau auf einem 15 000 Quadratmeter großen Grundstück gegenüber dem Yachtclub. Unter den Laubdächern der großen Bäume haben es sich verschiedene Grüppchen in Liegestühlen bequem gemacht. Andere staksen wie die Störche durchs Wasser oder tauchen ihre Arme ins kalte Nass. Eine Männerrunde kloppt auf der Terrasse Skat, ein munteres Trüppchen lässt die Bocciakugeln rollen, andere spielen Tischtennis. Kurzurlaub im Ruhrgebiet - dabei würde die Szenerie genausogut in einen Kurpark im Schwarzwald passen, der Altersdurchschnitt von 70 Jahren ebenfalls.

Kneippen gilt als verstaubt - obwohl es doch vor allen Dingen mit Wasser zu tun hat. Neben den Wasseranwendungen basieren die Prinzipien des Pfarrers allerdings auf vier weiteren Säulen. Ein ausgewogener Lebensrythmus - ein Ausgleich zwischen Be- und Entlastung - die Verwendung von Heilkräutern für Bäder oder Wickel, eine gesunde Ernährung, vitaminreich und fettarm, sowie Bewegung an frischer Luft gehören dazu. Elemente, die jedes gute Wellnesshotel heutzutage umsetzt. „Ich träume davon, dass wir eines Tages bei Kneipness landen”, hofft Brigitte Börsch. Die Wandervögel haben’s schließlich auch geschafft - von der altmodischen Freizeitbeschäftigung in Kniebundhose hin zum Trendsport für aktive Leute mit Funktionskleidung. Brigitte Börsch ist schon lange Mitglied imVerein und außerdem Gesundheitstrainerin und Erzieherin im Kneippkindergarten Wanheim. Sie besucht die Anlage regelmäßig mit „ihren” Kindern. Die Kurzen finden natürlich besonders das Plantschbecken klasse.

An heißen Tagen kommt Nathalie Weber, eines der jüngen Vereinsmitglieder, mit ihren Kindern regelmäßig zum Plantschen an den Strohweg. Das Gelände war für die junge Familie das Hauptargument und die 120 Euro Jahresbeitrag sind finanzierbar. Josef Jaskulski, mit 93 Jahren der älteste Kneippianer, schätzt vor allem die Gesellschaft. „Das ist viel besser als alleine zuhause zu sitzen”, sagt der alte Herr aus Huckingen. Apropos Geselligkeit: Kneippen hat nichts mit Kneipe zu tun.

Gabriele Beautemps, WAZ